Ausgabe 09/2014
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Übergewicht als entschädigungspflichtige Behinderung i.S.d § 1 AGG - Ablehnung

Die Klägerin sei als Stellenbewerberin wegen Übergewichts und damit wegen Behinderung i. S. d. AGG benachteiligt worden. Die Beklagten, Vorstandmitglieder eines Vereins, der als Patientenorganisation gemeinnützige Ziele der Gesundheitsförderung verfolgt, führten mit der Klägerin ein Vorstellungsgespräch. Sie fragten die Klägerin was dazu geführt habe, dass sie kein Normalgewicht habe, denn in ihrem jetzigen Zustand wäre die Klägerin kein vorzeigbares Beispiel und würde die Empfehlungen des Vereins für Ernährung und Sport konterkarieren. Das Arbeitsgericht Darmstadt (Az. 6 Ca 22/13) wies die Klage mit der Begründung, dass die Klägerin nicht so übergewichtig sei, dass eine Behinderung in Betracht käme, aus welcher sich Ansprüche aus § 15 Abs. 2 AGG ergeben würden, zurück. Weiterhin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin wegen ihres vermeintlichen Übergewichts nicht eingestellt worden ist. Sofern die Beklagten sich bei der Entscheidung, ob die Klägerin als Geschäftsführerin eingestellt wird, auch vom äußeren Erscheinungsbild der Klägerin und ihrer mangelnden Bereitschaft, sich hierüber auszutauschen, bestimmen ließen, liegt hierin kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, denn eine Rechtspflicht des Beklagten, seine Entscheidung über die Einstellung gänzlich unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu treffen, besteht nicht. Vielmehr durften die Beklagten in ihre Erwägungen auch einbeziehen, ob die Klägerin aufgrund ihrer Gesamtpersönlichkeit und Erscheinung bereit und in der Lage ist, die Anliegen des Vereins überzeugend zu vertreten.

Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 12.06.2014

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Häusliche Pflege ist günstiger

Laut einer Studie sei die Versorgung von Demenzkranken, betrachte man sie rein ökonomisch, zu Hause weniger kostspielig als im Pflegeheim. Diese Tatsache sollte nicht zum gesundheitspolitischen Fehlschluss verleiten, die Betroffenen so lange wie möglich zu Hause pflegen zu lassen, weil finanzielle Einbußen, emotionale Belastung und Pflegequalität in der internationalen Studie nur schwer zu berücksichtigen waren, so Professor Dirk Sauerland. Er betont, dass die Kosten der Pflege von Menschen mit Demenz sehr differenziert betrachtet werden müssen. In der Studie zeigte sich "je weniger unabhängig die Demenzkranken bei den Alltagsaktivitäten werden, desto größer wird der Pflegeaufwand zu Hause und desto höher die damit verbundenen Kosten." Sodass die Pflege in der häuslichen Umgebung bei Patienten mit sehr geringer Alltagskompetenz teurer sein kann, als die im Heim.

Ärzte Zeitung online 13.08.2014

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Intensivpflegerische Betreuung bedroht

In Sachsen-Anhalt führt ein Erlass des Sozialministeriums zum Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) dazu, dass die Versorgung von intensivpflegebedürftigen Menschen in häuslichen Wohngemeinschaften nicht mehr von Pflegediensten erbracht werden darf. In der Folge soll diese Wohnform entweder in stationäre Einrichtungen umgewandelt oder geschlossen werden. Die Krankenkassen, die nur noch die Kosten für Pflegebedürftige übernehmen müssen, die zu Hause versorgt werden, profitieren von diesem Erlass, denn die Pflegekassen, deren Pauschalen aber nicht ausreichend sind, wären nun die Kostenträger. Die verbleibenden Kosten müssten vom Betroffenen übernommen werden, dies kritisiert der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste bpa.

beatmet leben 4/2014

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Gericht erlaubt Schwerkranken Cannabis-Anbau

Im Juli entschied das Verwaltungsgericht Köln, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) drei Schmerzpatienten eine Genehmigung zum Anbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken erteilen muss. Wenn das BfArM die Entscheidung aus Köln annimmt, dürfen drei Deutsche erstmals ganz legal Cannabis zu therapeutischen Zwecken in ihrer Wohnung anbauen. Sollte es Berufung einlegen, wird die Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verhandelt.

Spiegel Online, 22.07.2014

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Stützende und stabilisierende Verbände - Nr.31 der HKP-Richtlinie, BSG Urteil vom 16.07.2014 Az. B 3 KR 2/13 R, hier: Gilchristverband

Streitig war, ob die Krankenkasse der 1937 geborenen Klägerin die Kosten der häuslichen Krankenpflege für das An- und Ablegen eines Gilchristverbandes für drei Monate zu erstatten hatte. SG Leipzig und Sächsisches LSG lehnten einen solchen Anspruch ab. Das BSG gab der Klägerin Recht und verpflichtete die Krankenkasse zur Kostentragung. Das An-und Ablegen des Gilchristverbandes ist eine krankheitsspezifische verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme, die im Rahmen der Behandlungssicherungspflege von der Krankenkasse zu leisten ist. Unerheblich ist es, ob der Verband auch aus medizinischen Gründen regelmäßig an- und abgelegt werden muss und daher bereits an sich der Krankenbehandlung dient. Der Verband kann nicht getragen werden, wenn er nicht wenigstens bei dem An- und Auskleiden bzw. der Köperpflege (§ 14 Abs.4 SGB XI) an- bzw. abgelegt wird. Dies sind unabdingbare Grundbedürfnisse - so das BSG. Es handelt sich um eine Leistung nach Ziff.31 der HKP-Richtlinien, nämlich einen stützenden und stabilisierenden Verband. Die HKP-Richtlinien sind nicht abschließend. Es besteht keine Ermächtigung des GBA notwendige Leistungen der Behandlungspflege aus der Leistungspflicht der Krankenversicherung auszuschließen und der Pflegeversicherung oder der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuweisen. Maßnahmen der Behandlungspflege, die erforderlich und wirtschaftlich sind, bleiben auch außerhalb der HKP-Richtlinien in der Leistungspflicht der Krankenkasse. Die Angabe in den Richtlinien zur Dauer und Häufigkeit der Maßnahme sind lediglich eine Empfehlung für einen nicht näher bezeichneten Einzelfall. Alter und Heilungsverzögerung sprechen gegen einen Regelfall. Die rückwirkende Verordnung veranlasste das BSG zu der Äußerung, dass sozialrechtlich auch für kurze Zeiträume vor Antragstellung antragsabhängige Leistungen zu gewähren sind. Die medizinische Notwendigkeit der Leistung ist entscheidend. Häusliche Krankenpflege ist regelmäßig im konkreten zeitlichen Zusammenhang mit der ärztlichen Verordnung notwendig. Praktisch wäre es daher kaum vorstellbar, zuvor die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen. Im Übrigen hielt das BSG die Vergütung mit 9,75 EUR je Einsatz für angemessen.

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